Die Zuverlässigkeit des Unternehmens erfragen

Im Unternehmensalltag ist die konkrete Messung von Arbeitsergebnissen manchmal schwierig und von den Beteiligten eventuell auch gar nicht unbedingt erwünscht. Um die Qualität der Zuarbeit einer Abteilung für eine andere Abteilung als internem Kunden dennoch beurteilen zu können, hat sich ein einfaches und auf jeder hierarchischen Unternehmensebene anwendbares System bewährt: Interne Kunden bewerten anonymisiert auf mindestens Gruppenebene in regelmäßigen Abständen die Qualität der Vorarbeiten ihrer internen Zulieferer. Überprüft wird die Einhaltung der zwischen den Abteilungen als Prozesspartner zuvor getroffenen Vereinbarungen über Art, Umfang und Zeitrahmen der Zuarbeit.

Diese horizontale Evaluierung der unternehmensinternen Leistungsqualität ist effektiver als die zumeist übliche vertikale, hierarchische Kontrolle, weil die internen Kunden die Zuarbeit ihrer Kollegen fachlich besser beurteilen können, als der Chef. Und sie sind in ihrem Urteil vor allem objektiver, als der jeweilige Vorgesetzte, der ein persönliches Interesse daran hat, seine Abteilung gut dastehen zu lassen.

Benotung der Vorarbeit interner Zulieferer

Von 800 befragten Berufstätigen antworteten 37% negativ. (Quelle: IKO-Institut.com)

Das entscheidende Evaluationskriterium für die Beurteilung der internen Zuarbeit ist »Zuverlässigkeit«. Zuverlässige Zuarbeit bedeutet, dass alle Abteilungen sowohl zeitlich als auch inhaltlich von anderen, ihnen im Prozessablauf vorgelagerten Abteilungen so unterstützt werden, dass sie ohne zusätzlichen Abstimmungs- und Koordinationsaufwand mit den Arbeitsergebnissen dieser vorgelagerten Abteilungen weiterarbeiten können. Eine zuverlässige Zuarbeit der verschiedenen Abteilungen untereinander sichert die Zuverlässigkeit des Angebots des Unternehmens als Ganzes.

Die Objektivität der horizontalen Evaluation durch die internen Kunden wird zusätzlich dadurch sichergestellt, dass sich die Zuarbeitsverhältnisse im Verlauf eines Prozesses, bzw. eines Geschäftsjahres meistens auch mal umdrehen; aus internen Kunden werden interne Zulieferer und umgekehrt. Die Anonymität und die wechselnden Zuarbeitsbeziehungen sichern die notwendige Fairness der Bewertungen.

Die möglichen Noten für die Qualität der Zuarbeit oszillieren um die Zielnote 2, die die Mitte der möglichen Bewertungen markiert. Note 2 bedeutet, dass die Zuarbeit genau den zuvor zwischen den beteiligten Parteien getroffenen Vereinbarungen entspricht.

Eine »1« würde der interne Zulieferer beispielsweise für eine überraschend schnelle oder unerwartet umfangreiche Zuarbeit erhalten. Eine solche Zuarbeit ist aus Unternehmenssicht jedoch nicht erstrebenswert, da die Gefahr besteht, dass sich dadurch die Bearbeitung anderer Themen, die bei der zulieferenden Abteilung eventuell geringere Priorität hatten, verzögert. Außerdem könnte überraschend »gute« Zuarbeit sogar negative Konsequenzen für die internen Kunden haben, wie folgendes Beispiel zeigt:


Fallbeispiel: Ein Warenausgang ohne Ausgang

Die Verpackungsabteilung eines Spielzeugherstellers hatte in den letzten Monaten öfter mit Verzögerungen zu kämpfen, die sie nicht selbst verschuldet hatte. Ursache war die Umstellung von Standard-Kartons auf kundenindividuelles Verpackungsmaterial. Immer wieder fehlte entweder eine Charge Kartons mit dem Kundenlogo und in den Farben des Kunden, oder aber die entsprechende Spielzeugserie war noch nicht fertig. Die Umstellung auf «just in sequence mass-customisation« erfolgte einfach nicht ganz reibungslos.

Als die Verpackungsabteilung die Anlaufschwierigkeiten überwunden hatte, waren sie als Team so stolz auf ihren Erfolg, dass sie es nun besonders gut machen wollten und dem Warenausgang die fertig gepackten Europaletten nicht nur (endlich mal wieder) rechtzeitig zur Verfügung stellten, sondern sogar zwei Tage früher als geplant.

Darüber war der Warenausgang aber genauso wenig erfreut wie über die Verzögerungen der letzten Monate, weil die noch nicht benötigten Europaletten den sowieso schon engen Platz im Warenausgang endgültig blockierten. Die Mitarbeiter des Warenausgangs brauchten doppelt so lange für das Beladen eines LKW, weil sie jedes Mal die noch nicht benötigten Europaletten mit einem Handhubwagen hin- und herschieben mussten.

Gute Zuarbeit ist, wenn es pünktlich kommt; nicht zu spät, aber auch nicht zu früh.


Natürlich ist es auch möglich, dass die Bewertenden mit der Note 1 eine besondere Leistung ihrer Kollegen honorieren wollen, über die sie sich aufrichtig gefreut haben. Wenn man als interner Kunde mehr bekommt als vereinbart war, ohne dass es die eigene Arbeit behindert, dann freut man sich sicherlich darüber. Aber so wichtig ein positives Überraschungsmoment gegenüber externen Kunden ist, um diese zu »begeistern«, so wenig wünschenswert ist dies in den internen Kundenbeziehungen. Denn das in der Unternehmensorganisation in so einem Fall offenbar vorhandene Effizienzpotenzial hätte in der Angebotskalkulation gegenüber den Kunden des Unternehmens berücksichtigt werden können, wenn es rechtzeitig bekannt gewesen wäre. Wenn Teilprozess-Verantwortliche Verbesserungspotenzial sehen, dann sollten sie dies im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses umsetzen und die Vereinbarungen mit ihren internen Kunden entsprechend anpassen.

Die Note 1 steht für »Ich habe mehr bekommen als vereinbart war.« Sie steht aber nicht für: »Ich war begeistert.« Dafür wäre die Note 2 adäquat, weil die internen Zulieferer den Erwartungen entsprochen haben. Interne Kundenorientierung setzt Planbarkeit voraus. Die Note 3 bedeutet, dass der interne Kunde durch unzureichende oder verspätete Vorarbeiten in seiner eigenen Zielerreichung behindert oder sogar blockiert wird, was letztlich das Leistungsversprechen des Unternehmens gegenüber seinen externen Kunden gefährdet. Eine weitere Abstufung durch die Noten 4 und 5 ist nicht notwendig, denn eine »3« ist angesichts der unmittelbar drohenden negativen Konsequenzen Grund genug, die Schnittstelle zwischen den betreffenden Teilprozessen umgehend zu untersuchen und das Problem zwischen dem internen Zulieferer und dem internen Kunden zu beheben.

Es kann auch vorkommen, dass Bewertende ihren Kollegen eine »1« geben, obwohl die Zuarbeit ungenügend war; einfach nur um Ärgerzu vermeiden. Aufgrund solcher Interpretationsprobleme mit einem Notensystem, bei dem nicht eine »1« die Wunschnote ist, sondern die »2«, empfiehlt es sich in der Praxis, in den Befragungsbögen mit Symbolen statt Noten für die Qualität der Zuarbeit zu arbeiten und die Symbole erst im Nachgang einer Befragung zu Notenwerten umzuwandeln. Bewährt haben sich folgende Zeichen:

Da alle Schnittstellen von internen Kunden evaluiert worden sind, die letztlich nur das Ziel haben, problemlos weiterarbeiten zu können, und daher kein Interesse an der oftmals üblichen negativen Abteilungspolitik haben, ist unmittelbar klar, an welcher Stelle der Prozesskette Probleme aufgetreten sind. Das Management kann ohne längere Problemsuche sofort reagieren und geeignete Maßnahmen einleiten.

Begründungen und Ausreden der betreffenden internen Zulieferer, warum sie angeblich nicht anders handeln und besser arbeiten konnten, gelten nicht, weil sie zuvor selbst Vereinbarungen über Art und Umfang der Zuarbeiten mit ihren internen Kunden getroffen haben.

Von über 400 befragten Berufstätigen antworteten 44% negativ. (Quelle: IKO-Institut.com)

Damit fällt ein großer Teil der üblichen Managementprobleme weg. Führungskräfte können steuernd eingreifen, ohne sich in das Tagesgeschäft ihrer Mitarbeiter einarbeiten zu müssen.

Voraussetzung ist allerdings, dass die Mitarbeiter auch wissen, was ihre internen Kunden von ihnen benötigen. Aber dazu mal in einem späteren Blogbeitrag, wenn es darum geht wie das Prinzip der internen Kundenorientierung Zuverlässigkeit im Unternehmen sicherstellen kann.


Wenn Sie meinem Blog folgen wollen:

… und besuchen Sie uns: https://www.zuverlaessig.org, bzw. https://mostReliableCompany.org

Veröffentlicht von andreasvonschubert

Wissenschaftler mit langjähriger Selber-Machen-Erfahrung aus der Automobilindustrie

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